Erdbeerkirsch :3

Mittwoch, 13. Juni 2012

Part 7


„Sie isst einfach nicht mehr!“ 
Herr Honigweiß musste sich beeilen damit die  Dame mit der schrillen Stimme die sich in Atemberaubendem Tempo die Treppe hoch bewegte, ihm nicht abhandenkam.  Er gab wirklich sein Bestes, hüpfte die nicht enden wollenden Stufen beinahe hoch aber seine alten Knochen wollten einfach nicht so wie sein jugendlicher Geist. 
Alles was er von Frau Kleinblüm noch erhaschen konnte war ein preußisch blauer Rockzipfel der jedesmal wenn er ihn gerade erblickte, um eine Ecke verschwand.
Also wirklich! Er glaubte beinahe dieser Rockzipfel wollte ihn ärgern. Schnaubend holte er tief Luft um der Hausherrin zu antworten, die Gespräche über die Gesundheit ihrer Tochter anscheinend im Dauerlauf zu führen pflegte.
„Wie… äh.. lange schon nicht?!“ Da war er wieder! Der Rockzipfel winkte ihm schelmisch entgegen und verschwand um eine Kurve. Inzwischen hasteten sie eine enge Wendeltreppe hinauf.
„Seit etwa anderthalb Wochen. Egal was wir ihr anbieten!“ dröhnte es von den Wänden wiederhallend.
 „Wir haben es wirklich mit allem versucht! Ihre sämtlichen Leibgerichte, sogar exotisches und Zuckerzeug das wir ihr sonst verbieten. Nichts!“ Herr Honigweiß stützte sich japsend an der Wand ab. Er brauchte eine Pause.
„Isst sie nur nicht oder …. Oder…. Oder….äh… uhm…geht mit ihrer Appetitlosigkeit… Ich brauch frische Luft…. noch etwas einher?“ Die klackernden Schritte kamen plötzlich näher. Als Herr Honigweiß den Schweißnassen Kopf hob sah er direkt in das Gesicht von Frau Edita Kleinblüm. Mit den Honigfarbenen Locken und den dunklen Augen war sie ihrer Tochter wie aus dem Gesicht geschnitten. Nur der Mund unterschied sich merklich von dem ihrer Tochter. In Lätitias schien jederzeit ein kleines Lächeln verborgen. Edita Kleinblüms Mund hatte bestenfalls ein Muskelzucken übrig. Nicht das sie eine boshafte Person war, das wahrlich nicht. Sorgen plagten die gute Frau von früh bis in die späten Abendstunden, Sorgen die es normalerweise nicht zu beachten galt. Doch Frau Kleinblüm konnte sich nicht vor ihnen verschliessen. Appetitlosigkeit war für sie gleich ein Todeszeichen, ein Splitter  im Finger: Eine Blutvergiftung. Die Blumen im Garten blühten nicht zu gegebener Zeit? Bestimmt hatte jemand die Familie verflucht.
So ging es Tag ein Tag aus und immer mehr Sorgenfalten nisteten sich in Edita Kleinblüms hübsches Gesicht. Als Herr Honigweiß sie so ansah , fragte er sich warum er nicht schon vor einer Woche geholt wurde.
„Sie ist ausgesprochen Melancholisch, weigert sich ihr Zimmer zu verlassen oder gar in den Garten zu gehen… So kenne ich mein einziges Kind nicht!“ Als sie traurig den Kopf schüttelte klimperten ihre funkelnden Ohrringe glockenhell. „Wir sind gleich oben, tut mir Leid das ich Sie so scheuche.“   
Ihr Mundwinkel zuckte, hinterliess den Schatten eines aufmunternden Lächelns, dann drehte sie sich herum und rauschte mit gerafften Röcken hinauf.  Herr Honigweiß holte tief Luft, wackelte mit den Knien und startete den Endspurt, der kürzer ausfiel als befürchtet. 
Nur zwanzig Stufen später erreichte er den kleinen Gang bis hin zu Lätitias Zimmer. Frau Kleinblüm stand bereits an der großen Tür aus massivem Holz. Sie klopfte sacht und trat gefolgt von Herrn Honigweiß der sich schnell mit einem weißen Taschentuch die Stirn betupfte, das Mädchenzimmer.
Und es  w a r ein Mädchenzimmer. Die Bezeichnung ‚Mädchenzimmer‘ schien allein für diesen Raum erschaffen worden zu sein. Der Raum wurde von der Farbe Pink und Rüschen dominiert. Überall hingen pinke Rüschen von der Decke, an Gardinen vor den großen Fenstern, um das Himmelbettgesäumt wie ein Wolkendecke. Links von ihm stand eine große Schminkkomode auf der sich dutzende Fläschchen und Döschen, Pinsel, Puderquasten und Dinge die Herr Honigweiß nicht einmal benennen konnte, tummelten. Ein gigantischer Kleiderschrank folgte, daneben in ordentlichen Reihen Kuscheltiere (unter ihnen sogar ein Stofftier in Form eines Westostbrasilianischen Guanakelrinds, was Herr Honigweiß mehr als beeindruckend fand. In seinem Leben hat er nur ein einziges Mal eines erblickt und das war vor zwanzig… nein fünfundzwanzig [Wie doch die Zeit vergeht!] Jahren in südlicheren Gefilden.. damals hatte er… aber nein. Er schweifte hier  nur ab!) und dann das größte Bett das Herr Honigweiß in seinem langen Leben jemals gesehen hatte. Es war mehr eine Liegewiese als ein normales Bett. Kissen mit Spitzenbesatz und aus erlesener Seide  türmten sich verschwenderisch auf den freien Plätzen und mitten in ihnen, wie eine kleine Puppe aus Porzellan, lag Lätitia.
Sie starrte mit verquollenen Augen hinauf zum pinken Baldachin, hatte die Lippen fest aufeinander gepresst. Ihre Hände lagen neben ihrem Körper, umfassten die Bettdecke als müsste sie sich daran festhalten.
Herr Honigweiß hob seine buschigen Augenbrauen. Ohne sie auch nur abzuhorchen wusste er jetzt schon das er es hier mit keiner Krankheit zu tun hatte die man mit Pillen oder Ölen kurieren konnte.
 Er blickte unauffällig zu Mutter Kleinblüm die in schierer Panik die Finger um den Bettpfosten krallte, so sehr das ihre Knöchel weiß hervor traten. Sie würde es nicht gelten lassen. Zumindest ein Mittel zur Appetitförderung musste er einsetzen, nur dann wäre Edita Kleinblüm zufrieden und würde ihm die Nötige Ruhe lassen, damit er die Sorgen ihrer Tochter in Erfahrung bringen konnte.
Der Gesichtsausdruck, die verkrampften Finger, der starre Blick…

Ein gebrochenes Herz heilte einfach nicht durch Medizin.

1 Kommentar:

  1. Witzige Einleitung, mir gefällt wie das Gespräch und der Sprint parallel laufen.

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